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Warum haben Sie entschieden, die

Fantasie

und die

Kreisleriana

gemeinsam aufzuzeichnen?

Es ist eine persönliche Entscheidung, die einem Lebensabschnitt entspricht. Nach

meiner Chopin-Platte verspürte ich den Drang, mich erneut dieser Musik zu widmen,

mit demWunsch, meine eigene momentane Sichtweise festzuhalten, besonders was

die Fantasie betrifft. Ich stürzte mich buchstäblich ins Studium dieses Meisterwerks,

von dem ich nicht mehr abließ, auch nicht auf Reisen – es war immer im Gepäck. Ich

wollte die

Kreisleriana

, die ich schon lange kannte, überarbeiten, und vor vier Jahren

ergriff mich die Lust,

Fantasie C-Dur

in mein Repertoire aufzunehmen. Ich denke,

dass dieses Werk eine Involvierung über seine Aufzeichnung hinaus verlangt. Mich

verblüfft die Begeisterung, die Schumann in den Jahren 1835-1840 an den Tag legte

und die ihn dazu bewegte, ein so umfassendes Klavierwerk mit einem derartigen

Wiedererkennungswert zu schaffen. Die

Fantasie

beschäftigte ihn ein ganzes Jahr, so

groß war seine Hingabe.

Zu dieser Zeit verkehrten Genies wie Chopin, Liszt, Mendelssohn und natürlich

Schumann an denselben Orten. Jeder besaß mitten in der Romantik seine eigenen

Ausdrucksweisen, die sich aus einfachen thematischen Grundlagen entwickelten.

Chopin erschließt sich mir über seine Modulationen, Phrasierung, Beherrschung des

Rubato, den Belcanto-Charakter, die Harmonien; Liszt über die Art, wie er sein Leben

mit offensichtlicher Transparenz zu Musik verarbeitete; doch Schumann bleibt durch

seine überaus kontrapunktische Logik, in der keine Form der anderen gleicht, ein

Rätsel. Es ist wie ein Rebus! In der

Fantasie

hört meine Absicht bei der Gespaltenheit

zwischen Eusebius und Florestan auf, und ich befasse mich vorwiegend mit dieser

tiefen Klage, die das Fassbare übersteigt. Gewissermaßen muss man sich in einen

unsterblich Verliebten hineinversetzen, der mittels dieser Musik buchstäblich bis hin

zur närrischen Leidenschaft getrieben wird, ohne sich dabei zu sehr von den inneren

Irrungenmitreißen zu lassen.Wennmanmit den Füßen nicht amBoden bleibt, besteht

die Gefahr, dass man unwiderruflich fortgerissen wird!

SCHUMANN_Fantasie & Kreisleriana