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JEAN-PHILIPPE COLLARD

Kreisleriana, op. 16

Die

Kreisleriana

sind nach den 1814 erschienenen Erzählungen von E.T.A. Hoffmann

über die Figur des wunderlichen Kapellmeisters Johannes Kreisler benannt,

dessen imaginäre Biografie er im Roman

Lebensansichten des Katers Murr

schrieb.

In welchem Maße sich Schumann mit Kreisler identifizierte und die Parallelen der

beidenWerke sind faszinierend, umso mehr als der Roman einen starken Nachhall

bei Schumann fand. In diesem Jahr 1838 war Schumann von seiner unerfüllten

Leidenschaft zerrissen. Trotz Friedrich Wiecks Argusaugen konnten sich Robert

und Clara dank der Hilfe anderer zuweilen treffen. Der Klaviervirtuose feierte im

Übrigenmit

Carnaval

in Prag undWien Erfolge. Die

Kreisleriana

veranschaulichen die

romantische Dualität des Genies Schumanns, der unaufhörlich zwischen Florestan

(die fünf lebhaften Stücke) und Eusebius (die drei anderen, melancholischeren)

hin- und hergerissen ist. Spannung, Zärtlichkeit, Poesie, Fantasie und intensive

Leidenschaft durchziehen das gesamte Werk. Im Gegensatz zur offenherzigen

Freude, die den

Carnaval op. 9

abschloss, vertreibt hier nichts das Unbehagen, das

sich im Laufe des besessenen Rhythmus einstellt. Die letzten Takte stürzen sich in

die Tiefen des Instruments, eine äußerst Hoffmansche Pirouette. Der Gnom – wie

später Scarbo inRavels

Gaspard de la Nuit

– entflieht, aber verschwindet nicht völlig.