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48 MOZART / BEETHOVEN / SCHUBERT

1791 sind inWien die genialen Köpfe Europas versammelt, und die

unruhige Stadt hält zugleich den bereits sterbenden Klassizismus

am Leben.

Es gibt das Theater und die Oper, die den Hof zu Gast haben, aber auch die Kammermusik,

die sich in die Prinzensalons geflüchtet hat, und dann die symphonische Musik, eine noch

schüchterne Erscheinung, wie ein Echo der zu beneidenden Orchester von Mannheim und

Paris. Aber das Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist noch mehr. Nach der

Sturm und

Drang

-Krise der Jahre 1770 bis 1775 erlebt die Hauptstadt das politische Unbehagen und den

Widerhall der gefürchteten Pariser Revolution. Die aufkommende Bourgeoisie kann sich

keine unverrückbaren Regimemehr leisten.

Der Heldenmythos entsteht. Allein gegen alle ist der Held der Nachfolger der Monarchen.

Eine seiner meistgeschätztenWaffen ist das Pianoforte, das das Cembalo ablöst. Pianoforte

und Cembalo gehören nicht zur selben philosophischen Denkart.

Unter den Fingern von Haydn und Mozart spricht die neue Tastatur direkt zum Publikum.

Dank der Instrumentenbauer wie Graf, Stein, Silbermann und bald auch Broadwood,

Pleyel und Erard, die bisweilen ihre Instrumente anbieten und verleihen, dringen Kraft und

Spannweite des Klaviers in neue, in imgrößere Säle vor.

Die Konzerte, Sonaten und Variationen aller Art dienen nun nicht mehr der Unterhaltung.

In musikalischen Kämpfen – wie der legendären Auseinandersetzung zwischen Mozart

und Clementi, die sich Ende 1781 vor dem Kaiser als Rivalen gegenüber treten – werden neue

Harmonien aufgetan, und immer gewagter sind die Dinge, die zutage treten.

InWien entdeckt Mozart Bachs Fugen – „zumindest“, so soll er gesagt haben, „lerne

ich etwas“ –, doch beansprucht er für sich auch eine neue Freiheit und eine neue

Ausdruckskraft.

Die

Empfindsamkeit

, jene Einfühlung, die sich noch mit dem galanten Stil schmückt, zeigt

den Künstler völlig ungeschminkt. Von Partitur zu Partitur werden die traditionellen

Formeln schwächer. Und als dann die Noten endlich gehalten werden dürfen und die

Melodien, von Albertis Bass befreit, singen, macht Mozart sich daran, eine fließendere und

abenteuerlustigere Sprache zu ergründen.