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117

GEOFFROY COUTEAU

Die

acht Klavierstücke

(Opus 76) sind acht Stücke mit irreführenden Titeln

wie

Intermezzo

und

Capriccio

, die weder die Funktion noch die Stimmung

der dadurch benannten Genres besitzen, sondern die, aufgrund ihrer

meditativen, bisweilen (was die ersten betrifft) elegischen Qualität und

ihrem heftigen (was die letzten betrifft), oft leidenschaftlichen Charakter

das Klima nordischer, geheimnisumwitterter Sagen wiederherstellen, jenes

Klima, das Brahms seit seiner Jugend so wichtig war.

Die

zwei Rhapsodien

(Opus 79, 1879) setzen diese Anknüpfung fort und sind

sogar eineArt direkter Fortsetzung der

Balladen

des Opus 10.Wie beimOpus

76 ist auch der Titel

Rhapsodie

wieder irreführend: Es handelt sich eigentlich

um Balladen, die ihre Struktur und ihren Charakter dem Genre des Scherzos

entlehnen (vor allem denen von Beethoven und denen Chopins). Man

erkennt hier das Temperament des Kreisler Juniors wieder, der die Stufen

wie

ein Orang-Utan

hinaufsprang¸

bevor er die Tür mit zwei Fäusten aufstieß und so in

dem Raum erschien, ohne eine Antwort abzuwarten

Die vier letzten Zyklen (Opus 116 & 117, 1892 und Opus 118 & 119, 1893) stellen

zugleich ein pianistisches Testament und die gebündelte Inspiration des

gesamten Werkes in seiner Quintessenz dar. Brahms gibt manchen von

ihnen den Beinamen

Wiegenlieder meines Schmerzes

.