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Janáčeks Harmonik arbeitetmit frei aufeinanderfolgendenAkkorden und setzt sich

über die Grenzen zwischen Tonalität und Modi hinweg: Der Komponist zieht hier

die Konsequenzen aus der Lektion der Volksmusiken, die er seit langem schon mit

verfolgt und auf die er geradezu versessen ist.

Um das Fieber der inneren Leidenschaften in seinem chaotischen Fluss

wiederzugeben, muss auch die Musik im Rohzustand erscheinen. Nicht etwa in

einer kalten und allmählich voranschreitenden Entwicklung, und noch weniger

in einer melodischen Schwelgerei von höchst fraglicher Gefühlsduselei, sondern

mit Hilfe der Wiederholung von Originalmotiven und deren Überlagerung, was

bisweilen wie ein Einhämmern anmutet. Es geht in der Tat darum, ihnen den

gesamten Gehalt der Gefühle zu entziehen, bis zur Erschöpfung, bis hin zur

Atemnot und dem endgültigen Bruch.

SichderWahrheit so sehrwiemöglichzunähern, bedeutet jedoch für Janáčeknicht,

auf die Schönheit zu verzichten. Der Anspruch auf innereWahrheit treibt seinWerk

in Richtung eines packenden, harten und leidenschaftlichen Expressionismus.

Beide Quartette sind Liebeserklärungen an das Leben und an die Frau. Die

heraufbeschworene Gefühlsintensität scheint hier nur jenseits der Worte

vermittelbar, im Zuspitzen der Klänge:

„Wissen Sie, schreibt Janáček an Kamila, manchmal sind die

Gefühle für sich genommen so stark, dass sich hinter den Noten

eine Flucht verborgen hält.“

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TALICH QUARTETT