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TALICH QUARTETT

Dieses Quartett zur Ehre der Frau und der Liebe komponiert er innerhalb einer

Woche, und er widersetzt sich mit diesem Thema der moralischen Sanktion, die

Tolstoi selbst über die Ehebrecherin seines Romans verhängte. Janáček ergreift in

seinen Werken oft für die verhöhnte und gedemütigte Frau Partei. Um aus dem

Roman die nackten Leidenschaften herauszukristallisieren, arbeitet er gekonnt

mit der Kunst von Kontrast und harmonischer Spannung und erschafft Bögen,

angstvoll und ergreifend. Durch jede einzelne Instrumentenstimme hindurch

berührt – in einem wahren Stummdrama ¬– sein musikalisches Schreiben direkt

das Stöhnen und Klagen, die Gewaltausbrüche sowie das Entsetzen der Figuren.

Selbst in seinem Aufbau folgt das

Kreutzersonaten

-Quartett der dramatischen

Abfolge des Romans. Der erste Satz ist eine Szene der Darlegung, die sich um das

Porträt der Heldin dreht, einem reinen und leidenschaftlichen Geschöpf, das an

seinen unerfüllten Gefühlen leidet. Der zweite Satz handelt vom Wendepunkt,

der mit dem Auftauchen des jungen, verführerischen Geigers einsetzt und sich in

melodischer wie rhythmischer Destabilisierung niederschlägt. Imdritten Satz geht

es umdie Krise, bei der die liebende Sanftheit der Frau auf die Eifersuchtswutanfälle

ihres Gatten prallt. Im letzten Satz dann ereignet sich das Tragische: Die Figur

der geschundenen und furchtbar drangsalierten Frau erscheint, die – auf dem

Höhepunkt all ihrer Leiden angelangt – die Erlösung nur noch in der am Schluss

stehenden, melodischen Beruhigung findet.