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PASCAL AMOYEL

Sie hatten die Gelegenheit, auf Klavieren aus Chopins Zeit zu spielen.

Welches wäre letztendlich das ideale Instrument?

Ja, ich war mit Anima Eterna und Jos van Immerseel auf Tournee und habe ein

Pleyel aus dem Jahre 1836 gespielt. Diese alten Klaviere haben im Grunde nicht viel

mit den modernen Klavieren gemein. Es sind ganz andere Instrumente, andere

Welten. Durch ihre physischen Eigenschaften kann man nichts erzwingen. Sie

haben etwas Fließendes, das für Chopins Spiel typisch ist. Man versteht sogleich,

was das Pleyel in seiner Musik bedingt, aber man kommt nicht darüber hinaus.

Emmanuelle Bertrand stellte vor Kurzem dasselbe fest, als sie ein Gagliano-Cello

spielte: Sobald der Bogen zu stark beansprucht wird, funktioniert es nicht mehr.

Man lernt also viel über Chopins Musik, wenn man die Instrumente seiner Zeit

spielt: eine natürliche Resonanz, eine Ausstrahlung, die man nicht ohne Weiteres

auf den modernen Klavieren findet, sondern ihnen zu entlocken verstehen muss.

Man merkt auch, dass man die Pedale beachten sollte, die Chopin notierte – er

ist einer der wenigen Komponisten seiner Zeit, der sie gewissenhaft angab – und

dass man daraus etwas über den Einsatz der Pedale bei modernen Klavieren lernen

kann. Überaus wichtig an der Erfahrung mit dem Pleyel ist das Bewusstsein der

verschiedenen Klangebenen. Zwar ist Chopin ein geboren Melodiker, doch seine

Polyphonie, seine Fertigkeit des Kontrapunkts verlangen einen äußerst subtilen

Einsatz der Klaviatur, der dynamische Nuancen innerhalb eines selben Akkords

hören lässt und die Hintergründe der Landschaften oder Emotionen offenbart. Auf

einemheutigen Steinwaymuss man ebenso vielWeichheit und Subtilität zu finden

versuchen.