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PASCAL AMOYEL

Hat sich Ihre Sichtweise von Chopins Musik seit der Aufzeichnung der

Nocturnes

vor gut zehn Jahren geändert?

Sie hat sich weiterentwickelt, aber im Grunde nicht so stark. Bei den

Nocturnes

hatte Chopin eine Art Allgemeingültigkeit im Blick, während wir bei den

Polonaises

auf Ebene des Besonderen sind, das Transzendenz anstrebt. Eine präzise Formmit

zwanghaft wiederkehrenden Zellen setzt sich zunächst durch, doch letztendlich

kommt Chopin wie in der

Polonaise Op. 44

darüber hinweg. Er geht viel weiter als in

den Polonaisen seiner jungen Jahre, bei denen er noch beeinflusst wurde. Am Ende

ist die Form weder Rahmen noch Endgültigkeit, sondern ein poetisches Mittel,

das in die Kraft der Sprache fließt. Dies bindet die Interpretation, aber befreit sie in

gewisser Hinsicht auch. Ich hoffe, dass all dies zur Einfachheit tendiert. ImKonzert

stellen sich Augenblicke der Gnade ein, in denen man sich im Reinen befindet, in

etwas Selbstverständlichem. Diese Augenblicke lassen sich viel schwieriger auf

einer CD wiedergeben, oder es braucht besondere Bedingungen wie bei meiner

Aufzeichnung von den

Nocturnes

auf dem Gut Chambord in der Nacht. Die CD ist

eine komplexe Alchemie...