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Ebenso wie der Wein und die enthaltenen Rebsorten ist die Anatomie eines

Cellos ein Wunder der Ausgewogenheit, ein zartes Zusammenspiel zwischen der

Sinnlichkeit seiner Kurven, der Klangreinheit seiner Saiten und der Stärke seiner

Struktur. Die Celloschnecke, der letzte Schliff des Cellobauers und das Sinnbild

absoluter Eleganz, erinnert im Übrigen an die Spiralen der Weinrebe. Wie auch die

Sonnenstrahlen auf den Trauben verleiht der Lack dem CelloWärme, Tiefe, Leben,

das schillernde Temperament, das imHerzen der Menschen schwingt.

Bei Celli und beimWein treffen Realität undMetaphysik aufeinander. Nicht umsonst

wird der Stimmstock - das Holzstück, das die Schwingungen der Decke an den

Instrumentboden überträgt - im Französischen ‘âme’, ‘Seele’ genannt. Und die

Platzierung eben dieser ‘Seele’ bedingt die Harmonie der erzeugten Töne. Auch hier

liegt der Vergleich mit Wein nahe. So schrieb Charles Baudelaire 1857 sein Gedicht

‘Die Seele des Weines’, in dem er dem magischen Tropfen eine Stimme verlieh und

ihm Leben einhauchte: ‘

DesWeines Seele hört‘ ich also singen..

.’. ‘Singen’ wie die Saiten

der Celli zur Besänftigung der Menschen.

Und der Mensch? Der Cellobauer erschafft nicht nur das Cello, er ist auch dessen

Arzt, wie derWeinbauer der Arzt der Rebe ist. Viel mehr als nur ein Handwerker ist

er sein ewig Untergebener.“

Bernard Magrez

Eigentümer von vier Grands Crus der Bordeaux-Klassifizierung