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28 BERG ∙ BRAHMS ∙ POULENC ∙ SCHUMANN Beginnen wir mit dem jüngsten Werk, das die Platte eröffnet: Poulencs Sonate für Klarinette und Klavier. Michel Portal, Sie haben diese bereits 1971 mit Jacques Février eingespielt. Zudem kannten Sie den Komponisten und haben für ihn gespielt. Michel Portal: Ich erinnere mich, dass Poulenc recht autoritär in seinen Ratschlägen für Interpreten war. Er war vor allem auf der Suche nach einem Klang, der „nach oben“ strebt. Bei dieser Musik gilt es, langsam voranzukommen, stets in Bewegung zu bleiben, ohne sie jedoch zu „jazzig“ zu gestalten. Ich habe viel von Francis Poulenc gelernt. Jacques Février, mit dem ich dieses Stück aufnahm, legte Wert auf die strikte Einhaltung des Tempos. Dies ist recht weit entfernt von der Einstellung der Erstinterpreten der Sonate, Benny Goodman und Leonard Bernstein. Michel Dalberto: Poulenc war ein guter Pianist. Ich würde sagen, er war bewundernswert „gebildet“ in der Musik. Er konnte sie erschaffen, aber überschritt gewisse Grenzen nie. Nur weil einem Dinge zufallen, garantiert das kein Genie. Zudem war Poulenc schon sehr jung erfolgreich. Genau wie Saint-Saëns, und um den Journalisten Alain Lompech zu zitieren, gehört er zu den Komponisten, deren bewundernswerte Kunst vor den Toren des Genies Halt machte. Seine Musik ist nicht nur gut geschrieben, sondern auch sehr einschränkend für die Interpreten: wenig Rubato und auch wenig Flexibilität. Der Interpret hält sich vor allem an einen präzisen Rahmen, diesen charakteristischen „Rahmen“ der französischen Musik, der von einigen Namen wie Debussy und Ravel durchbrochen wurde.

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