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Zwei Konzertwerke, die hier glücklicherweise vereint sind, sind äußerst

erwähnenswert: die

Ballade

op. 19, in jungen Jahren geschrieben (1881), und die

Fantaisie

op. 111 (1919), welche von großer Reife zeugt. Charakteristisch ist, dass

diese beiden Partituren zunächst für Klavier solo bzw. zwei Klaviere geschrieben

wurden.

Die

Ballade

verführt gleich zu Beginn durch die Schönheit der Thematik, die

Erschaffung ihrer flexiblen Form mit verknüpften Episoden. Das Werk ist Saint-

Saëns gewidmet, der nicht zögerte, seinen Schüler und Freund zu bitten, die

Partitur Franz Liszt bei einer Begegnung im Juli 1882 in Zürich zu unterbreiten: „‚Ich

fürchtete, dass sie zu langwar‘, hatte Fauré gesagt, was ich an Liszt weitertrug, der

mir diese bewundernswerteAntwort gab: ‚Zu lang, junger Mann, das ergibt keinen

Sinn. Man schreibt, wie man denkt.‘“ Liszt setzte sich ans Klavier und begann, sie

zu spielen, „doch nach fünf oder sechs Seiten, sagte er: ‚Meine Finger tun mir weh‘

und bat mich fortzufahren, was mich sehr einschüchterte.“ Gut möglich, dass

der große Virtuose somit seinen Wunsch äußerte, den jungen Künstler spielen zu

hören, der ihm gerade von seinem Freund Saint-Saëns vorgestellt worden war.

Die Originalfassung für Klavier solo der

Ballade

(1880 veröffentlicht) zeugt von

einem recht zarten Spiel, weshalb sie nur selten gespielt und aufgezeichnet wird.

Stattdessen hat sich die Fassungmit Orchester (1881) behauptet: Ohne den Zauber

des Originals zu verlieren, gewandet sich das Stück in Transparenz und Charme,

besonders imfinalenVogelgesang. Diesbezüglich erzählteAlfred Cortot: „Es wurde

geschrieben und Fauré hat es bestätigt – dieses Stück, obgleich man ihm kein

ideologisches Argument zuschreiben sollte, ist voll und ganz vom Eindruck der

Natur inspiriert, der Richard Wagner seine musikalische Heraufbeschwörung des

Waldwebens

eingab.“

58 FAURÉ