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OLIVIER LATRY 33 Für die Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H haben Sie Jean Guillous synkretische Version gewählt. Die Originalpartitur von 1855 wurde mehrmals von Liszt verändert. Erzählen Sie von der Partitur und Jean Guillous Ansatz… Alexander Winterberger (1834-1914) brachte das Werk am 13. Mai 1856 auf der Orgel im Merseburger Dom zur Uraufführung. Liszt sagte über den Organisten, der einer seiner Schüler war, dass er mit den Füßen spiele, was viele andere kaum mit den Händen spielen könnten. Die beiden Versionen der Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H entstanden im Laufe der Interpretationen auf verschiedenen Instrumenten: Die erste Fassung ist ganz und gar an den postklassischen Stil der Merseburger Orgel angepasst, auf der sie uraufgeführt wurde; jene von 1870 beschwört eher die Klangfarbe von Cavaillé-Coll herauf. In der Zwischenzeit hatte Liszt Franck besucht, der ihm das Werk auf der Orgel der Basilika Sainte-Clotilde vorgespielt hatte. Dies muss dem Komponisten neue Klanghorizonte eröffnet haben, denn er arbeitete Crescendos- Decrescendos, die sich viel leichter auf einer französischen sinfonischen Orgel umsetzen lassen, in seine zweite Version ein. Die Überarbeitungen (ich schließe die Fassung für Klavier von 1871 mit ein) zeugen von der fortwährenden Reflexion des Komponisten auf der Suche nach einer Sprache in stetiger Weiterentwicklung. Nichts ist je endgültig…
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