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47 Was gibt Ihnen dann die Frische des Scherzos der Sonate ein? Bei dieser Aufnahme spiele ich langsamer als gewohnt und mit dem Gedanken an einen Engelstanz im Hintergrund, auf der Suche nach der Reinheit einer Kinderszene , die zwischen den Tonarten b-Moll und B-Dur hin- und herflackert. Schubert betrachtete noch einmal alles, das ihm Wien verwehrt hatte. Der suggerierte Walzer versetzte ihm Messerstiche. Ein vergifteter Wiener Walzer à la Max Ophüls, eindringlich bis in die Echos der Note G. Zwei Schreie ertönen (f-Moll), dann aufeinanderfolgende durchschlagende Einklänge zwischen den im Konzert teuflischen technischen Passagen: Sie bringen uns in Gefahr, weil der Komponist in Gefahr ist. Darauf folgt ein Freudenwirbel, nahezu ein Glückstaumel. Schubert wusste, dass alles vorbei war. Ein- oder zweimal habe ich es mir erlaubt, den Stimmumfang unserer modernen Klaviere zu verwenden, welchen Schuberts Hammerklavier nicht besaß, aber zu dem er offenbar tendierte. Bei Schubert ist in Wahrheit nichts improvisiert. Manchmal spiegelt er dies vor. Alles ist „orchestriert“, ohne dass er je den Höhepunkt erreicht, da er unaufhörlich das Unvermeidliche verdrängen und Zeit gewinnen muss. Allein das faustische Finale mit seinem wilden Ritt und den Synkopen mit der linken Hand beendet den Lauf zum Abgrund des Wanderers. JEAN-MARC LUISADA
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