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Als Ysaÿe diese Sechs Sonaten komponierte, lagen ihm offenbar Bachs Sechs Sonaten und Partiten vor, die schon damals als „Himalaya“ der Geige galten. Welche Spuren hinterließen Bachs Sonaten in Ysaÿes Werken? Ysaÿe verwendete die alten Formen der Kirchensonaten oder der profanen Tänze der Sonaten und Partiten , insbesondere in der Ersten und der Vierten Sonate . Ysaÿes Erste Sonate ist eine Hommage an Bachs Erste Sonate : Beide sind in g-Moll. Bachs Sonate beginnt mit einem Adagio, Ysaÿes mit einem Grave. Der zweite Satz ist ein Fugato bei Ysaÿe als Echo der Fuge bei Bach. Die Obsession zu Beginn der Zweiten Sonate beginnt mit einem Zitat des Preludios der Dritten Partita E-Dur. Zudem treibt das Motiv Dies irae die gesamte Sonate um. Der Geigensatz ist jedoch nicht mehr jener aus Bachs Zeit. Infolge der technischen Entwicklung durch die großen Violinisten und Komponisten des 19. Jahrhunderts hatte der Geigenbau Instrumente mit größerer Schallreflexion hervorgebracht. Ysaÿes Geige hatte nicht mehr viel mit Bachs Geige zu tun. Die Bögen hatten sich sogar noch mehr als die Geigen selbst verändert. Ihre Form war nicht mehr dieselbe, die Technik völlig anders. Die Ausdrucksformen der Geigen hatten sich vervielfacht: Glissandos und Vibrationen. Der Tonumfang war viel größer: Der Hals wurde von unten bis oben genutzt. Bach ließ die Orgel in die Geige einfließen. Ysaÿe setzte den Ausdruck in ihr frei und begleitete die Entwicklung der musikalischen Sprache zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 46 YSAŸE ∙ 6 SONATEN FÜR VIOLINE SOLO OP. 27
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