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FLORIAN NOACK 53 Es wäre eine verwerfliche Kurzfassung, wenn man Prokofjews amerikanisches Exil automatisch mit der prägnantenWehmut der Märchen der alten Großmutter , Op. 31 verbinden würde. Und wie als wollte man eine offene Tür einrennen, droht man gewöhnlich mit dem Satz, den unser Komponist an einem Tag großer Niedergeschlagenheit ausgesprochen hat: „Manche Erinnerungen wurden zur Hälfte aus meinem Gedächtnis gelöscht, andere werden nie ausgelöscht werden». Das Bild ist nicht weit von der Babuschka entfernt, die zwischen den Hühnern hinkt, ein Kopftuch auf dem Kopf, und auf den heiligen Johannes Chrysostomos vertraut, damit die Ernte reich wird. Das bedeutet, die unerschütterliche Faszination der Russen für Märchen zu verkennen, die man auf allen Ebenen der Volkskultur findet und die –weit davon entfernt, die Kinder zu unterhalten – anspornt, statt zu verängstigen. KeinnaiverHerzschmerzfürdieentfernteHeimat,sondernbittersüßeErinnerungen, die fröhlich zwischen den Bildern einer Ausstellung (das Ostinato macht keinen Hehl daraus, zu Bydlo hinüber zu schielen) und den Miniatur-Ballerinas, welche ihre Ballettschuhe in kleinen Bewegungen in Moll über den Boden schleifen, Slalom fahren. Dieses offensichtliche Feingefühl, ist jedoch nur ein Trick, denn es gibt in diesen Stücken etwas wie eine Härte, „ein Karren fährt übers Land. Sein Rad, das schnaubt, besteht aus einemschweren Stein. Es ist dieser schonungsloseWeg - der zertrampelte Pfad - den man in den Märchen der alten Großmutter zu hören geben muss“. Als ob dieWehmut nicht das stumpfeste Gefühl wäre.
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