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44 BRAHMS • SONATEN FÜR KLAVIER UND VIOLINE Im selben Jahr 1886 entwarf Brahms die Violinsonate Nr. 3, d-Moll, op. 108 am Thunersee, aber beendete sie erst zwei Jahre später. Sie lässt eine andere, deutlich düsterere und legendäre Stimmung anklingen, gleich im hitzigen Allegro alle breve zu Beginn des Werks. In der Sonate knüpft Brahms an seine gequälte, sinfonische Schreibweise an, wie sie seine letzten Klavierstücke bestätigen. Die Sonate ist dem Pianisten Hans von Bülow gewidmet und mutet virtuoser und konfliktreicher an, vielleicht um den Kampf zu verdeutlichen, den sich die beiden Instrumente in einigen Passagen liefern! Ein zweites, vollends lyrisches Thema stellt sich der Vehemenz des ersten entgegen. Nach einer mysteriösen, fast schwerelosen Passage, in der sich thematische Fragmente mit neuen Ideen mischen, erklingt eine konzentrierte und mächtige, rhapsodische und fast konzertante Durchführung. Eine schöne Coda lässt die Zeit stillstehen und schließt den Satz in Frieden mit einer Vorahnung der kommenden Pracht ab. Das folgende Adagio bildet die Spitze der drei Sonate. Zugleich Gebet und Wiegenlied trägt es auf der Geige eine reine und packende Melodie vor, die schnell zum Ausbruch führt. Fast ein Lied oder eine inbrünstige Hymne, aufgelöst und edel, von einer umso höheren Emotion, da sie sich zurückhält. Das Klavier lässt seine Stimme wie in einer zarten Antwort hören, dann kehrt das Lied wieder, noch mitreißender, als ersticke es vor lauter Gefühl bis sich das Ende wie die untergehende Sonne im Ocker verflüchtigt.

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