LDV38.1
63 CÉDRIC PESCIA Haben Sie historische Aufnahmen auf dem Klavier, wie jene von Swjatoslaw Richter und Edwin Fischer, beeinflusst? Gewiss. Richter und Fischer haben meine Musikkultur bereichert, ebenso Walter Gieseking und Samuel Feinberg. Sie haben mich mit dem Schwung ihrer Kühnheit und ihrer „Redefreiheit“ bereichert. Obwohl diese Künstler in der Wiener Klassik und Romantik ausgebildet wurden, fürchteten sie keineswegs, dieses Repertoire zu spielen. Auch wurde Bachs Werk oft mehr für seinen pädagogischen als für seinen musikalischenWert geschätzt. Heute werden wir von „maßgebenden“ Aufnahmen überhäuft, die eher unsere eigenen Interpretationen hindern. Der kanadische Pianist Glenn Gould hat diese Auffassung zum Glück gesprengt. Sein Spiel von unglaublicher Fantasie, seine Ästhetik und sein provokanter Ansatz haben Generationen geprägt. Ich selbst ordne mich nicht in die Kategorie der „Exzentriker“ ein, und zudem interessiert mich die Originalität nur um der Originalität willen nicht. Mich reizt hingegen Ehrlichkeit und das Streben nach Schönheit. Schönheit lässt sich im stimmlichen Aspekt der Musik, zu dem ich stets zurückkehre, entdecken. Bach darf nie zu singen aufhören!
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