21 MICHIAKI UENO Toshirō Mayuzumi (1929-1997) studierte sowohl an der Tokyo University of the Arts als auch am Pariser Konservatorium und wurde schon in jungen Jahren als Komponist der Avantgarde bekannt. 1958, kurz vor seinem 30. Geburtstag, kam jedoch der Wendepunkt seiner Laufbahn. Er komponierte seine monumentale Nirvana Symphony, die buddhistische Gesänge (Shōmyō) mit dem westlichen Orchester vereinte. Zugleich veröffentlichte er einen Artikel mit dem Titel „Abschied von der europäischen Musik“ und signalisierte einen schnellen und bestimmten Wechsel zur Einbindung der japanischen Tradition in seinen Kompositionsstil. Eines der repräsentativsten Werke dieses Übergangs ist Bunraku (1960), ein Stück für Violoncello solo, das die Klangwelt des traditionellen japanischen Figurentheaters heraufbeschwört. Inspiriert vom beim Bunraku verwendeten tiefen, klangvollen Schamisen sowie den gefühlsbetonten Erzählungen der Rezitatoren (Tayū) lässt Mayuzumi mithilfe von Techniken wie Bartóks Pizzicati und subtilen Portamenti lebhafte Klänge entstehen. Diese Klangtexturen werden mit lyrischen, sprachähnlichen Linien zu einem dramatischen musikalischen Dialog verflochten, fast als träte der Puppenspieler vor unseren Augen auf. Ueno erinnert sich, wie sehr ihn die theatralische Intensität des Bunraku verblüffte, als er zum ersten Mal ein Stück sah – und spiegelt damit womöglich Mayuzumis Reaktion.
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