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30 CIOCÂRLIA George Enescu, unser Vorzeigekomponist, war schon sehr früh vom traditionellen Tanz namens Ciocârlia fasziniert. Da er auch Geiger war, arbeitete er ihn um und interpretierte ihn selbst – es gibt eine Einspielung davon – aber vor allem fügte er ihn in seine Rumänische Rhapsodie Nr. 1 für Orchester ein, die er mit 19 schrieb. Diese wurde eines seiner berühmtesten Werke, von dem er ein halbes Jahrhundert später eine Transkription für Klavier solo anfertigte, die aus technischer Sicht herausfordernd ist, ebenso oder gar mehr als Liszts Ungarische Rhapsodie. Neben Ciocârlia werden in der Rumänischen Rhapsodie viele weitere zu Beginn des 19. Jahrhunderts sehr populäre Stücke zitiert, wie Am un leu și vreau să-l beu oder Hora lui Dobrică, die an jeder Straßenecke gespielt wurden. Die Rhapsodie beginnt langsam mit Walzern, Reigen und langsamen Horas, und fährt mit immer schnelleren Tänzen wie Brâul und Călușarii fort. Enescu hat sie nach einem Beschleunigungsprinzip zu einem Patchwork aus mindestens 30 Melodien zusammengefügt, das zugleich ein Porträt aus Bröseln rumänischer Musik und eine Art Apotheose des Tanzes bildet. Für mich stellt es im Übrigen einen schönen Übergang von der Landlerche zur Stadtlerche dar, von der mündlichen Tradition zur niedergeschriebenen Musik. Es ist kein Zufall, dass Enescus erster Lehrer ein Lăutar war, ein Dorfmusikant, der zweifelsohne Ciocârlia auf Dorffesten spielte.

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