25 DANA CIOCARLIE Liebe Dana, sagen wir es gleich: Wir sind Cousinen und in vielerlei Hinsicht ähnlich – Du machst Musik und ich schreibe; du bist in Bukarest geboren, ich in Timișoara; du wohnst in Paris, ich in Luxemburg. Wir sind beide komische Vögel, denn wir haben denselben nahezu unaussprechbaren Namen geerbt, Ciocârlie, „Lerche“ auf Rumänisch. Als ich Rumänien verließ, verstand ich, dass ich ihn irgendwie ändern musste, damit mein Gegenüber nach meiner Vorstellung oder im Gespräch nicht ständig „O, du Lerche“ anstimmt. So nannte ich mein erstes französisches Buch Un miroir aux alouettes. Petit dictionnaire de la pensée nomade. (zu Dt.: Der Lerchenspiegel. Ein kleines Wörterbuch der nomadischen Denkweise.) Du hattest bis dato nicht das Bedürfnis, dem Namen auf den Grund zu gehen und deine Rolle als Vogel, der während des Flugs singt, auf deine Weise zu interpretieren. Nun ist es mit dem Album Ciocârlia getan. Corina Mersch (Corina Ciocârlie) Ja, die Idee kam mir plötzlich in den Sinn. Mir ging auf, dass unser Nachname ein wahrhaftiges rumänisches Symbol ist, dass ich ein Singvogel bin, der hoch fliegt. Dennoch war ich diesem Zufall oder Wink des Schicksals nie nachgegangen, obwohl ich vielleicht eine Berufung hatte – der rumänischen Musik eine Stimme geben. Na gut, ich hatte vor einiger Zeit bereits ein Klangporträt Rumäniens eingespielt, doch dieses war weitaus weniger ehrgeizig. Diesmal wollte ich unser Totem, die Lerche, heraufbeschwören, sie von Dobrudscha bis Transsilvanien durchs Land reisen lassen und mir dabei vorstellen, was sie beim Flug über diese Gegenden hören könnte. Ich habe sie Stücke zusammentragen lassen, welche sehr unterschiedliche Landschaften zeichnen, und sie Porträts von Bauern, aber auch Städtern und Künstlern usw. anreißen lassen.
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