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48 DEBUSSY_12 ÉTUDES • LE MARTYRE DE SAINT SÉBASTIEN Die Études sind Chopin gewidmet, den Debussy wie keinen anderen verehrte, und nehmen wie beim polnischen Komponisten präzise technische Formeln zum Vorwand – Terzen, Quarten, Sexten… Welche Unterschiede stellen Sie zwischen den beiden Genies, die zugleich Pianisten und Improvisatoren waren, hinsichtlich ihrer Klaviertechnik fest? Als Debussy an einer neuen Ausgabe von Chopins Werken für Durand arbeitete, wurde seine Fantasie imKontaktmit demWerk Chopins, welchen er immer verehrt hatte, sicher angeregt. Doch meines Erachtens ist ihre Herangehensweisen an die Etüden sehr unterschiedlich. Für jede Etüde wählte der polnische Komponist eine präzise Formel (ein Intervall, eine besondere Arpeggioform oder eine komplexere Formel) und hielt recht streng und konstant daran fest, bis er sie völlig erschöpft hatte – ebenso wie die körperliche Beanspruchung des Stücks den Pianisten zuweilen erschöpfte! In einigen Fällen lässt einen eine mittlere Passage, eine Art Trio, im ununterbrochenen Fluss durchatmen. Durch den hohen musikalischen Wert von Chopins Etüden gerät nie in Vergessenheit, dass sie ein wunderbares Lehrmittel sind. Arbeitet man an ihnen, erzielt man Fortschritte, bezwingt unzählige Schwierigkeiten und baut sich eine Technik sowie unerschütterliche Finger auf, wodurch man für Chopins gesamtesWerk gefeit ist.
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